Lastspitzenreduktion

Elektrische Lastspitzen verursachen bei vielen Industrieunternehmen hohe Netzentgelte und somit hohe Stromkosten, da neben der elektrischen Energie auch die höchste bezogene Leistung bei der Abrechnung berücksichtigt wird. Eine Reduktion der Lastspitzen führt somit unmittelbar zu Kosteneinsparungen.

Um die Lastspitzen in Ihrem Unternehmen zu reduzieren, bieten wir Algorithmen und Betriebsstrategien. Mit diesen werden energietechnische Anlagen und Speicher wie Batteriespeicher und Blockheizkraftwerke mit Wärmespeicher für die Lastspitzenreduktion eingesetzt. Mit unseren Simulationen können wir vorab verschiedene Szenarien basierend auf Ihrem Lastprofil berechnen und bewerten, Potentiale abschätzen sowie Parameter (zum Beispiel Batteriekapazität oder Wärmespeichervolumen) optimieren.

Motivation

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Lastspitzenvermeidung (peak shaving) durch Verschieben des Energiebezugs in Zeitbereiche geringer Gesamtleistung

Bei vielen Industrieunternehmen ist neben der bezogenen Energie auch die höchste jährliche Lastspitze für die Berechnung der Stromkosten relevant. Nach § 19 Abs. 1 StromNEV (Stromnetzentgeltverordnung) werden anstelle der jährlichen Lastspitze die monatlichen Lastspitzen abgerechnet, wenn in einzelnen Monaten ein erheblich erhöhter Bedarf vorliegt. Basis für die Berechnung des Netzentgelts ist neben dem Grund-/Arbeits- und Blindarbeitspreis der sogenannte Leistungspreis, welcher in der Regel für Stromkunden mit einem Bedarf über 100 MWh (siehe § 17 Abs. 6 StromNEV) relevant ist. Eine Reduktion von Lastspitzen (auch Lastspitzenkappung oder Spitzenlastreduzierung genannt) führt damit zu einer unmittelbaren Kosteneinsparung.

Die Vermeidung von unvorhersehbaren Lastspitzen auf der Seite der Verbraucher bringt weitere Vorteile für das übergeordnete Energiesystem mit sich, da die Stromnetze entlastet werden. Die Netzinfrastruktur wird für den maximalen Lastfall dimensioniert, weshalb ein intelligentes Lastmanagement den Netzausbau teilweise vermeiden kann. Weiterhin sinken bei geringeren Leistungen auch die Verluste. Teure und ineffiziente Spitzenlastkraftwerke werden bei einem gleichmäßigeren Strombedarf seltener eingesetzt, wodurch ein Beitrag zur Erreichung der Klimaziele geleistet wird.

Für die Lastspitzenreduktion könnten Produktionsanlagen abgeschaltet werden. Dies stellt allerdings einen signifikanten Eingriff in die sensiblen Fertigungsabläufe dar und soll deshalb vermieden werden. Daher werden Batteriespeicher genutzt, welche bei drohenden Lastspitzen entladen und zu Zeiten niedrigerer Lasten beladen werden. Zusätzlich werden Infrastrukturanlagen und Energiespeicher aus dem thermischen Bereich (zum Beispiel BHKW, Wärmespeicher und Kältespeicher) genutzt, um das Reduktionspotential zu steigern. Die eigentliche Funktion der Anlage (zum Beispiel Wärmebereitstellung) darf dabei nicht negativ beeinflusst werden. Um dies sicherzustellen, bietet das Fraunhofer IISB intelligente Betriebsstrategien und Algorithmen für die optimierte Reduktion von Lastspitzen.

Grundlagen

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Schematische Darstellung der Lastspitzenreduktion

Für die Berechnung des sogenannten Leistungspreises wird der maximale mittlere Leistungsbezug (Mittelungsintervall üblicherweise 15 Minuten) innerhalb des betrachteten Abrechnungszeitraums (z. B. ein Jahr) ermittelt und mit einem vom Energieversorgungsunternehmen vorgegebenen Faktor multipliziert. Beispielsweise führt eine Lastspitze von 900 kW bei einem Leistungspreis von 100 €/kW so zu leistungsbezogenen Kosten von jährlich 90.000 Euro.

Für die Reduktion der Lastspitzen wird ein Algorithmus benötigt, der die optimalen Batterieleistungen bezüglich der 15-Minuten Mittelwerte fortlaufend berechnet und so unnötige Entladungen des Speichers verhindert. Die grundsätzliche Funktionsweise ist auf der Abbildung dargestellt: Bei Überschreitung des vorgegebenen, maximalen 15-min Leistungsbezugs wird der Batteriespeicher entladen, um die Lastspitze zu vermeiden. Unterschreitet der Lastgang die Ladegrenze wieder, kann das Batteriesystem erneut geladen werden. Der Algorithmus kann auch mit sekundären Zielen, wie der Eigenverbrauchsoptimierung von PV-Energie, kombiniert werden.

Neben einem jährlichen (oder monatlichen) Leistungspreis werden in § 19 Abs. 2 StromNEV zudem sogenannte individuelle Netzentgelte geregelt. Diese ermöglichen eine Verringerung des Netzentgelts um bis zu 90 % im Vergleich zu den öffentlich ausgeschriebenen Preisblättern:

  • Atypische Netznutzung, bei welcher die für die Ermittlung der abrechnungsrelevanten Lastspitze Zeitbereiche mittels Hochlastzeitfenstern eingeschränkt werden. Eine Reduktion der Lastspitze ist nur innerhalb dieser notwendig.
  • Intensive Netznutzung, welche ab einer Jahresbenutzungsdauer von 7000 Stunden sowie einer Jahresarbeit über 10 GWh angewandt werden darf.

Lastspitzenreduktion mit elektrischen Energiespeichern

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Eingangsdaten für die Simulation zur Lastspitzenreduktion mit elektrischen Energiespeichern
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Auslegungsergebnis (oben: Batterieparameter, mittig: Kostenparameter, unten: Algorithmusparameter) für die Lastspitzenreduktion mit Batterie
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Simulationsergebnis: Zeitverläufe für ein ausgewähltes Batteriesystem

Für die Berechnung der Auswirkungen einer Lastspitzenreduktion auf das zugrunde liegende Energiesystem wurde eine Simulationsumgebung entwickelt. Diese wird verwendet, um:

  • Algorithmen für die Lastspitzenreduktion zu entwickeln und zu testen
  • Batteriesysteme auszulegen
  • Geglättete Leistungsverläufe zu prognostizieren

Als Eingangsdaten sind gemessene oder prognostizierte Lastverläufe (z. B. Minutenwerte) notwendig. Für die hier gezeigten Simulationen wurden skalierte Leistungsverläufe aus dem Energiemonitoring-System des Fraunhofer IISB verwendet. Das Batteriesystem wird durch ein hierfür entwickeltes verlustbehaftetes Bilanzmodell abgebildet.

Im Auslegungsergebnis wird die erreichbare Reduktion der Lastspitze abhängig von der Batteriekapazität aufgetragen. Für eine Kapazität von 130 kWh ergibt sich entsprechend eine maximale Reduktion von rund 10 % der auftretenden Lastspitzen.

Der erwartete geglättete Lastverlauf für eine Bezugsgrenze von 1.800 kW ist in der letzten Abbildung dargestellt. Es ist erkennbar, dass die zulässige Leistung zu keinem Zeitpunkt überschritten wird. Bei der Beladung des Batteriesystems nähert sich der resultierende Lastgang an die Ladegrenze an, auch diese wird nicht überschritten.

Demonstration der Lastspitzenreduktion mit Batterie

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Schematische Darstellung des Demonstrators zur Lastspitzenreduktion mit Batteriespeichern am IISB
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Messergebnis aus dem Demonstrator für eine erfolgreiche Lastspitzenreduktion mit Batterie

Die Validierung der entwickelten Algorithmen erfolgt mit Hilfe eines am IISB aufgebauten Demonstrators. Das zentrale Element ist ein Batteriesystem, welches aus drei Batterieschränken besteht und eine Gesamtkapazität von 60 kWh bei einer maximalen Leistung von 100 kW besitzt. Die Batteriespeicher sind Bestandteil eines DC-Netzes, welches über bidirektionale AC-DC-Wandler mit dem AC-Netz des Instituts verbunden ist.

Die momentan erforderliche Batterieleistung wird von einer in das Energiemanagement des Fraunhofer IISB integrierten Steuerung berechnet und von der Batterie angefordert. Für einen Testzeitraum wird die maximal zulässige Leistung des Instituts auf 570 kW festgelegt, die Ladegrenze soll dabei 530 kW betragen. Der Versuch wird mit einem leeren Batteriesystem gestartet. Da der Lastgang zu Beginn unterhalb der Ladegrenze liegt, werden zuerst die Batterie aufgeladen. Ab 10:45 Uhr ist eine Reduktion der Lastspitze um 56 kW erkennbar (das entspricht etwa neun Prozent).

Anwendung: Atypische Netznutzung

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Simulationsergebnis für die Atypische Netznutzung

Ein Sonderfall der Lastspitzenreduktion ist die atypische Netznutzung. Dabei werden vom Energieversorgungsunternehmen Hochlastzeiträume (HLZ) vorgegeben, in welchen die Bezugsleistung einen vorgegebenen Wert nicht überschreiten darf. Diese Bezugsgrenze ist abhängig von der Netzebene, aus der die elektrische Leistung bezogen wird (zum Beispiel Mittelspannungsebene), und wird über die sogenannte Erheblichkeitsschwelle definiert. In den Niederlastzeiträumen (NLZ) müssen dagegen keine besonderen Maßnahmen getroffen werden.

Die bisher verwendeten Algorithmen bleiben dabei unverändert. Allerdings ist die maximal zulässige 15-min Leistung nicht mehr konstant, sondern abhängig davon, ob gerade ein HLZ oder NLZ vorliegt. Das Einsparpotential ist im Gegensatz zur oben beschriebenen Lastspitzenreduktion um einiges höher, da für die Berechnung des Leistungspreises nur noch die Lastspitzen innerhalb der HLZ relevant sind:

  • allgemeines Entgelt = Leistungspreis x Jahreshöchstleistung + Arbeitspreis x Jahresarbeit
  • individuelles Entgelt = Leistungspreis x Höchstlast in HLZ-Fenster + Arbeitspreis x Jahresarbeit

Ein Simulationsergebnis ist auf der Abbildung zu sehen. Es ist erkennbar, dass in dem dargestellten Zeitraum zwei HLZ enthalten sind. In der Simulation wurde ein Batteriesystem mit einer Kapazität von 180 kWh und einer maximalen Leistung von 200 kW angenommen. Beispielhaft wird der Lastgang hier auch innerhalb der NLZ begrenzt, was für die atypische Netznutzung nicht unbedingt notwendig wäre.

Lastspitzenreduktion mit elektrischen und thermischen Anlagen und Speichern

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Schematischer Aufbau des intelligenten Energiemanagementsystems: Eine globale Steuerungsebene ermittelt die beste Kombination von Anlagen zur Lastspitzenreduktion und sendet eine Leistungsanforderung. Die lokalen Anlagensteuerungen berechnen und kommunizieren die aktuellen Flexibilitätspotenziale. Ein unabhängiger Basis-Betriebsmodus stellt den Betrieb der Anlagen auch bei Kommunikationsfehlern sicher.
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Messergebnis für die Lastspitzenreduktion mit BHKW, Wärmespeicher und Batterie

Für die Reduktion von elektrischen Lastspitzen können zusätzlich zu Batteriespeichern auch Infrastrukturanlagen und Speicher aus dem thermischen Bereich verwendet werden. Dazu wurde am IISB ein intelligentes Energiemanagementsystem entwickelt und im Reallabor des IISB validiert. Das modulare und erweiterbare Konzept lässt sich auch in Bestandssysteme integrieren, wenn eine gewisse Flexibilität durch Energiespeicher gegeben ist.

Der Beitrag thermischer Komponenten kann entweder durch die Zuschaltung von elektrischen Erzeugern (z. B. BHKW mit Pufferspeicher) oder durch die Abschaltung von Infrastrukturanlagen (z. B. Wärmepumpe oder Kältemaschine) erfolgen. Beispielsweise wird bei einem BHKW softwareseitig ein Teil des Pufferspeichers exklusiv für den Lastspitzenbetrieb reserviert. Der Normalbetrieb (in der Regel wärmegeführter BHKW-Betrieb) wird mit dieser Vorgehensweise nur sehr wenig beeinflusst. Im Lastspitzenfall wird durch das reservierte Volumen eine gewisse Laufzeit des BHKW sichergestellt. Mit Hilfe eines Kältespeichers wird die Abschaltung der Kältemaschine und des Rückkühlwerks während einer Entladung ermöglicht.

Alle verfügbaren und in das intelligente Energiemanagementsystem integrierten Komponenten sind mit Prioritäten versehen und melden zu jedem Zeitpunkt die für die Lastspitzenreduktion verfügbare Reduktionsleistung sowie die verfügbare Dauer. Bei Auftreten einer Lastspitze wird aus diesen Informationen die am besten geeignete Einzelanlage oder eine Kombination von mehreren Anlagen ermittelt, um die aktuelle hohe Last abdecken können. Dabei werden die verschiedenen Randbedingungen der Anlagen, wie z. B. Mindestlaufzeiten berücksichtigt. Außerdem wird der momentane Zustand der Anlage beachtet, um Schaltvorgänge zu reduzieren.

Für das Reallabor IISB konnten durch die Betriebsstrategien des intelligenten Energiemanagements Einsparpotentiale in Höhe von 25 % bezüglich des Leistungspreises nachgewiesen werden.