Thermische Systeme und Sektorenkopplung

Die Optimierung von thermischen Energiesystemen (Wärme- und Kältesysteme) stellt Betreiber vor große Herausforderungen, da sie häufig mit Eingriffen in die laufende Infrastruktur verbunden ist. Die Einsparungspotenziale durch Modernisierungs- und Effizienzmaßnahmen in thermischen Systemen sind dabei maßgeblich von den eingesetzten Technologien, Dimensionierungen und Betriebsstrategien der Einzelanlagen sowie von dem Zusammenspiel der Komponenten abhängig und damit komplex zu bestimmen.

Wir unterstützen Sie bei der Konzeption, Untersuchung und Umsetzung von Optimierungsmaßnahmen in Ihren thermischen Systemen. Dabei setzen wir Simulationen ein, um nicht-invasiv (das heißt ohne Eingriffe in die reale Infrastruktur) verschiedene Szenarien zu untersuchen und um mögliche Optimierungsmaßnahmen zu ermitteln.

Optimierter Betrieb von thermischen Systemen

© Fraunhofer IISB
Darstellung des Energieflusses in einem Kältesystem mit den benötigten Komponenten und ihren individuellen Arbeitspunktkennlinien
© Fraunhofer IISB
Modell für die Rückkühlleistung eines Rückkühlwerks abhängig von der Außentemperatur, Luftfeuchtigkeit und Leistungsstufe (2 Schaltstufen, jeweils trocken und befeuchtet)
© Fraunhofer IISB
Aufstellung des vakuumisolierten Kältespeichers mit einem Volumen von 80 m³ am Fraunhofer IISB

Die Nutzung von Simulationen zur Identifikation von Effizienzpotenzialen ist eine Möglichkeit, Einsparpotenziale unter verschiedenen Rahmenbedingungen (z. B. Betriebsstrategien, Anlagenkonfigurationen) nicht-invasiv zu bestimmen und daraus Verbesserungsvorschläge für das betrachtete Energiesystem abzuleiten. Das Fraunhofer IISB entwickelt eine umfangreiche Modellbibliothek für Komponenten aus dem gesamten Energiebereich und nutzt diese für Systemsimulationen. Aufgrund der Vielzahl systeminterner und -externer Einflussfaktoren auf die Systemeffizienz sind vorausschauende Betriebsstrategien notwendig, welche dynamisch auf die Anforderungen und Randbedingungen des betrachteten Systems (z. B. Wetterbedingungen, Anlagenauslastung) reagieren. Aus den Ergebnissen der Simulation lassen sich neben Handlungsempfehlungen bezüglich der Optimierung der Energieinfrastruktur auch Aussagen über die Wirtschaftlichkeit verschiedener Szenarien und Ausbaustufen gewinnen.

Die Flexibilisierung des Betriebs zur Untersuchung verschiedener Anlagenkonfigurationen und Betriebsstrategien wird durch den Einsatz von thermischen Speichern bewerkstelligt. Diese entkoppeln den aktuellen Energiebedarf von der Notwendigkeit einer kontinuierlichen Erzeugung und ermöglichen somit eine zeitliche Verschiebung der Laufzeit von Anlagen. Auf Basis von Simulationen wurde am IISB ein Kältespeicher im industriellen Maßstab aufgebaut, welcher den Betrieb der Kältemaschinen schwerpunktmäßig in die Nachtstunden verschiebt. Während dieser Zeit ist die Außentemperatur niedriger und die Rückkühlanlagen arbeiten effizienter, wodurch die Betriebskosten für die Kälteanlagen um bis zu 15 % reduziert werden. Weitere Einsparpotenziale ergeben sich insbesondere in den Wintermonaten, wenn die Kälteenergie nicht wie üblich über die vorhandenen Kältemaschinen, sondern über eine im Rahmen des Projektes integrierte freie Kühlung bereitgestellt wird. Das kalte Wasser kann nachts im Speicher eingelagert und tagsüber verwendet werden, wodurch der COP (coefficient of performance“, Leistungszahl) der gesamten Kälteanlage inkl. Rückkühlung übergangsweise auf über fünf und höher ansteigt. Für die Planung und Auslegung der Systemkomponenten und Demonstratoren wurden die Simulationswerkzeuge eingesetzt und validiert, welche im Rahmen der Vorarbeiten entwickelt wurden. Die Simulationen berücksichtigen insbesondere die individuellen Wirkungsgrade aller beteiligten Komponenten und erlauben somit verlässliche Aussagen über das wirtschaftliche Potenzial der Maßnahmen.

Die Forschungsaktivitäten zielen auf eine Erhöhung der Systemeffizienz thermischer Versorgungstrukturen ab. Hierfür werden vor allem innovative Betriebsstrategien für thermische Speicher entwickelt und eingesetzt. Der Ansatz ist eine aktive und vorausschauende Steuerung des Speicherladeverhaltens ohne auf weitere Versorgungskomponenten des Netzes zugreifen zu müssen. Dies eröffnet ein breites Anwendungsspektrum an möglichen Standorten und einen überschaubaren Aufwand für die Systemintegration. Die Kernkompetenz liegt in der Erstellung von konkreten Versorgungskonzepten, welche individuell für den Einsatz in der Industrie sowie in kleineren und mittleren Unternehmen entwickelt werden.

Kältespeicher und Batteriespeicher zur Spitzenlastreduzierung

© Fraunhofer IISB
Schematischer Aufbau des Kühlsystems mit Kältespeicher und Batteriesystem

In einem weiteren Demonstrationsszenario wird der Großkältespeicher genutzt, um hohe elektrische Leistungsbezüge der Kälteanlagen innerhalb der Spitzenlastzeiten zu reduzieren. Hierfür wird eine eigene Steuerung entwickelt, welche den Gesamtenergiebezug des Institutsgebäudes mit Hilfe des Einsatzes des Kältespeichers und der unter dem Schwerpunkt Lastspitzenreduktion beschriebenen, stationären Batteriespeicher beeinflusst und somit elektrische Lastspitzen vermeiden kann. Der optimale Arbeitspunkt des Kältespeichers wird anhand von zwei übergeordneten Randbedingungen ermittelt. Am effizienten Betrieb des Kältesystems (also die höchst mögliche Effizienz der Kälteanlagen) und an der Vermeidung von elektrischen Lastspitzen.

Um entsprechende Fahrpläne für die Be- und Entladung des Speichers festlegen zu können, ist die Prognose von verschiedenen Einflussgrößen (Außentemperatur, Kältebedarf) notwendig. Diese dient neben den aktuellen Messwerten als Eingangsgröße für die Steuer- und Regelungsfunktionen. Der gezielte Einsatz der Speicherkapazitäten im Kälte- und Stromnetz demonstriert die erfolgreiche Kopplung beider Sektoren und das Anwendungspotenzial des Konzeptes.

Die Forschungsergebnisse wurden am Bestandsbau des Instituts im laufenden Betrieb umgesetzt und demonstriert. Die Konzeption der hydraulischen Einbindung des Speichers sowie die Entwicklung und Realisierung der Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik wurde vom Fraunhofer IISB umgesetzt. Die gewonnenen Erkenntnisse sind außerdem in die Planung des Erweiterungsbaus eingeflossen, welcher neben den Schnittstellen zum Altbestand eine teilautarke Energieversorgung bei höchstmöglicher Gesamteffizienz aufweist.

Blockheizkraftwerk (BHKW) mit Wärmespeicher zur Strom-/Wärmeversorgung sowie zur Lastspitzenreduktion

© Kurt Fuchs / Fraunhofer IISB
Blockheizkraftwerk (150 kW elektrisch, rechte Seite) und Wärmespeicher (24 m³, linke Seite) des Fraunhofer IISB zur Strom- und Wärmeversorgung sowie zur Lastspitzenreduktion
© Fraunhofer IISB
Übersicht über das BHKW und die Wärmespeicher im Energiemonitoringsystem des Fraunhofer IISB

Neben dem Kältespeicher wird auch eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage bestehend aus einem Erdgas-Blockheizkraftwerk (BHKW) sowie zwei Verdrängungsspeichern am Gelände des IISB zur Lastspitzenreduktion genutzt. Dafür wird in den beiden Wärmespeichern eine Teil-Ladekapazität für den Lastspitzenfall reserviert, um das BHKW ungeachtet des aktuellen Wärmebedarfs über eine Mindestlaufzeit betreiben zu können. Hierbei ist zusätzlich ein Batteriespeicher notwendig, um Anfahrvorgänge des BHKW zu überbrücken. Abgesehen vom Lastspitzenbetrieb ermöglicht die von den Forschern entwickelte intelligente Betriebsstrategie zudem die klassische wärmegeführte Strom- und Wärmeversorgung des Institutsgebäudes. Sowohl Speicher als auch BHKW wurden simulativ passend ausgelegt, sodass das BHKW eine Laufzeit von fast 5.500 Stunden pro Jahr erreicht. Für die intelligente Betriebsstrategie wurde das BHKW des Instituts im Jahr 2020 zum „BHKW des Jahres" gekürt.

Die beiden 12 m³ Pufferspeicher dienen nicht nur Flexibilisierung des BHKW-Betriebs, sondern stellen auch selbst eine Testplattform zur Untersuchung von thermischen Speicherprozessen dar. So ermöglicht die hydraulische Einbindung mit mehreren Motorklappen einen seriellen, parallelen sowie auch einen einzelnen Betrieb der Speicher. Der Einzelbetrieb wird vor allem genutzt, um die verschiedenen Ladesysteme der Pufferspeicher zu untersuchen, die Verwirbelungen im Tank verhindern sollen: Ein Speicher verwendet Diffusorplatten, um das einströmende Warmwasser radial zu verteilen, der zweite Speicher besitzt Schichtungsglocken, die das Wasser durch viele kleine Löcher in den Speicher einleiten.

Effiziente Nutzung von Abwärme mit Hilfe einer Wärmepumpe

© Fraunhofer IISB
Wärmepumpensystem am Fraunhofer IISB zur Rückgewinnung von Wärme aus den Abluftanlagen
© Fraunhofer IISB
Systemübersicht aus der Visualisierung (HMI-Panel) des Wärmepumpensystems

Im Bereich der Gebäudeklimatisierung liegt durch die Luftbe- und entfeuchtung ganzjährig ein Wärmebedarf vor, der auch bei hohen Außentemperaturen nicht vollständig aussetzt. Die Lüftungsanlagen stellen den Laboren, Werkstätten usw. ganzjährig eine Zuluft mit konstanter Temperatur (ca. 21 °C) und Luftfeuchtigkeit zur Verfügung. Die Abluft besitzt daher ein ähnliches, annähernd konstantes Temperaturniveau. Ein bestimmter Anteil davon wird bei niedrigen Außentemperaturen zur Vorerwärmung der Zuluft verwendet (Wärmerückgewinnung). Die restliche Wärmeenergie wird an die Außenluft abgegeben. Der zur Verfügung stehende Temperaturbereich der Abluft eignet sich sehr gut als Energiequelle für eine Grundwasser-Wärmepumpe. Dazu wurde am Fraunhofer IISB ein Wärmepumpen-System aufgebaut, das aus einer Wärmepumpe (Heizleistung ca. 50 kW), einem 3000 Liter Pufferspeicher und einem optimierten Hydrauliksystem besteht. Dabei wird der Pufferspeicher nicht (wie häufig üblich) als hydraulische Weiche genutzt, sondern als essentielle Komponente der Betriebsstrategie. Neben der Abluftenergie wird zusätzlich die Abwärme der Drucklufterzeugung für die Wärmepumpe genutzt.

Die gesamte Mess-, Steuer- und Regelungstechnik wurde vom Fraunhofer IISB konzipiert, aufgebaut und programmiert. Das System besitzt ca. 80 physikalische und über 400 virtuelle Datenpunkte. Das zentrale Element ist ein Zustandsautomat, welcher die Betriebsstrategie des Wärmepumpen-Systems umsetzt und wichtige Sicherheitsfunktionen überwacht. Daneben gibt es zahlreiche untergeordnete Funktionsblöcke, wie zum Beispiel Pumpenregelungen, Berechnungsfunktionen und einen Zustandsautomaten für die Wärmepumpe selbst. Für die Überwachung, Bedienung und Parametrierung des Systems wird ein Touch Panel vorwendet. Weiterhin existiert eine Schnittstelle zur Gebäudeleittechnik und eine bidirektionale Kommunikation mit dem Energiemonitoring-System des IISB.

Im Betrieb wird für die Heizleistung von 50 kW eine elektrische Leistung von 10 kW benötigt. Somit werden 40 kW aus der Abluft gewonnen. Für das Gesamtsystem ergibt sich also eine Leistungszahl (Verhältnis von Wärmeleistung zu eingesetzter elektrischer Leistung) von fünf. Das führt bei 40 %iger Deckung des Wärmebedarfs eines Heizungsunterverteilers zu einer jährlichen Ersparnis von ca. 10.000 €. Es sind entsprechend kurze Amortisationszeiten in der Größenordnung von vier Jahren möglich.